Andreas Berger führt seine Maschine über einen Steilhang bei Soyen. Mit teilweise über 60 % Gefälle erinnert der Buckel an eine Bergwiese und daher wundert es nicht, dass seine Arbeitsgeräte eigentlich aus den Alpen kommen. Für die anspruchsvolle Mahd benötigt Berger Spezialmaschinen: „Das Heu wird genutzt von Roßbauern und Kleintierhaltern. Im Vordergrund steht aber der Naturschutz.“

Traditionell wurden die steilen Buckel oft nur mit Kälbern beweidet, oder, meist mit der Hand, zweimal im Jahr gemäht und nur selten gedüngt. Wie auch in den Alpen konnte sich durch diese extensive, also sanfte, aber regelmäßige Bewirtschaftung, eine besonders hohe Blumenvielfalt ausbilden. „Schmetterlinge wie der Schwalbenschwanz und das Schachbrett brauchen Blumennektar als Nahrung“, sagt Rosa Kugler vom Landschaftspflegeverband Rosenheim. „Um die Vielfalt zu erhalten, finanziert der Landschaftspflegeverband die Pflege der Steilhangwiesen.“

In den vergangenen Jahren sind die Blumenwiesen für Schmetterlinge immer seltener geworden, nicht nur auf Steilhängen. Aufgrund des Preisdrucks auf die Landwirtschaft, kann eine extensive Nutzung heute oftmals nicht mehr ökonomisch betrieben werden. Viele Wiesen werden daher intensiv bewirtschaftet und dort wo es sich nicht mehr lohnt aufgegeben. „Wenn die Bewirtschaftung ausbleibt, dann verdrängen Gräser und Gebüsche die Blumenvielfalt, wodurch auch Insekten wie Wildbienen und Schmetterlinge verschwinden,“ meint Kugler.

Wie auf dem 1000 m² großen Wiesenstreifen am Babenshamer Mühlbach bei Obermühle. Wirtschaftlich nutzbar sind solche Kleinflächen schon lange nicht mehr. Für die Natur aber sehr bedeutsam. Um die Artenvielfalt wieder zu erhöhen, haben Jung und Alt aus der Nachbarschaft mitgeholfen, um eine Blumenwiese anzulegen. Finanziert wurde die Aktion vom Landratsamt Rosenheim. Neben den Wildbienen und Schmetterlingen profitieren auch Freizeitsuchende zukünftig von der Blumenpracht am Wegesrand.

Laut Jonas Garschhammer, Biodiversitätsberater am Landratsamt Rosenheim, gab es abgesehen von den Alpen, nirgendswo im Landkreis Rosenheim so viele Artenreiche Blumenwiesen wie in Soyen und Babensham. In der Endmoränenlandschaft nördlich von Wasserburg hat der Inn-Gletscher eine besonders vielfältige Landschaft geschaffen. Aufgrund dieser Besonderheit wollen Landratsamt und Landschaftspflegeverband Rosenheim mit staatlichen Förderprogrammen die extensive Nutzung wieder interessanter machen.

„Insbesondere auf landwirtschaftlichen Grenzertragsstandorten wie den steilen Buckeln, nassen Wiesen und an den Bachläufen können Förderprogramme interessant sein. Die Ertragsausfälle werden durch das Vertragsnaturschutzprogramm ausgeglichen,“ so Garschhammer. Der Landschaftspflegeverband bemüht sich auch, die bereits brachgefallenen Standorte wieder zu pflegen und somit offen zu halten. „Wir sind froh in beiden Gemeinden Partner vor Ort zu haben, die für uns die Maßnahmen umsetzen,“ so Rosa Kugler. Unkosten entstehen den Bewirtschaftern und Grundstückseigentümerinnen nicht. Die Maßnahmen werden zu 100 % von dem Landschaftspflegeverband übernommen.

Bereits für das Jahr 2021 konnten die Vertragsnaturschutzflächen in den Gemeinden Babensham und Soyen verdreifacht werden und umfassen nun eine Fläche von ca. 18 Fußballfeldern. Auch der Landschaftspflegeverband hat bereits exponierte Steilhänge in der Pflege. „Schön wäre es, wenn wir ein flächendeckendes Netz an Trittsteinen für Schmetterlinge und Co herstellen können“, so Garschhammer. Hierfür sind der Biodiversitätsberater und die Biologin Astrid Hanak im Mai und Juni in den Gemeinden auf der Suche nach geeigneten Flächen. „Sollte sich eine Wiese für das Vertragsnaturschutzprogramm eignen, so kommen wir auf die Betriebe zu. Die Teilnahme ist selbstverständlich freiwillig.“ Gerne können auch interessierte landwirtschaftliche Betriebe und GrundstückseigentümerInnen aktiv auf das Landratsamt zugehen.

Für Privatgärten gibt es leider keine Fördermöglichkeiten, dennoch leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. „Statt Mähroboter und Schotterfläche kann man im Garten auch ein wenig für die Natur stehen lassen. Das kostet nichts und macht weniger Arbeit,“ so Garschhammer.

Begleitet werden soll das Projekt durch Öffentlichkeitsveranstaltungen und Exkursionen, sofern es Corona bedingt wieder möglich ist. Termine werden bekannt gegeben.

Kontakt: Biodiversitätsberater Jonas Garschhammer; Landratsamt Rosenheim Wittelsbacher Str. 55, 83022 Rosenheim, Tel.: 08031 392-3316, jonas.garschhammer@lra-rosenheim.de

Rosa Kugler, Landschaftspflegeverband Rosenheim, Dorfplatz 1, 83139 Söchtenau, Tel. 08055 447 979-2, r.kugler@lpv-rosenheim.de